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Eine neue Kamera? Ach was …

Früher war mehr Lametta (Loriot) … Früher war es auch aufregender, wenn einer der Großen der Fotobranche ein neues Spitzenmodell vorstellte, aber wenn Canon nun seine Canon EOS-1D X Mark II ankündigt, drängt sich mir ein „Manchmal bin ich so müde“ (Hella von Sinnen – aber ursprünglich Majestix) auf. Woher kommt die Langeweile?

Ich verfolge die Branche, seit ich begann, mich ernsthaft mit der Fotografie zu beschäftigen, also ab Mitte der 70er Jahre, und ich wurde dann auch bald zum Leser diverser Fotomagazine. Seit der Jahrtausendwende bin ich nun selbst in diesem Metier aktiv, und manche der Autoren, deren Beiträge ich vor 35 Jahren schätzte, sind heute immer noch meine Kollegen. Durch diese Perspektive drängt sich für mich der Eindruck auf, die Fotobranche sei längst nicht mehr so spannend wie ehedem. Die aktuelle Ankündigung von Canons EOS-1D X Mark II illustriert das Problem: Der Kölner Fotograf André M. Hünseler, der ein Talent hat, die Dinge mit der ihm gegebenen Eloquenz auf den Punkt zu bringen, hat es auf Facebook (und auch für Facebook-Verächter zugänglich) sehr schön gesagt.

Neue_Canon_1Haben Sie’s gelesen? Gut. Canon hat natürlich das Problem, mit der eigenen Sensortechnologie dem Marktführer Sony und dessen Kooperationspartnern wie insbesondere Nikon hinterherzuhinken; daher der ISO-Maximalwert, der zwar hoch, aber nicht, wie bei Nikon, im Bereich mehrerer Millionen liegt. Canon kann immerhin den Vorteil seiner dualen Sensorpixel geltend machen, die nun auch im Kleinbildsegment einen Phasendetektions-AF mit dem Bildwandler möglich machen, der ohne Kompromisse arbeitet – wo andere Hersteller einen Teil der Sensorpixel maskieren, um mit nach rechts und nach links blickenden Pixeln eine Phasendetektion durchzuführen, schauen Canons duale Pixel in beide Richtungen. Weiß der Himmel, warum Canon damit keinen kontinuierlichen Autofokus im Live-View-Modus implementiert, sondern das dem Videomodus (im Cinema-4K-Format, da kann man nicht meckern) vorbehält.

Aber das, was Fotografen brauchen, sind gar nicht mal mehr Megapixel und höhere maximale ISO-Werte, denn von beidem gibt es im Grunde schon genug. Gefragt wären eher Features, die dem Fotografen tatsächlich die Arbeit erleichtern. Wenn aktuelle Kameras eine Schwäche haben, dann sind es eben nicht die klassischen Kenndaten Auflösung, Empfindlichkeit, Geschwindigkeit, Rauschabstand, Dynamikumfang etc., so willkommen auch Verbesserungen in all diesen Bereichen wären. Die gängigen Aufgaben, die sich einem Fotografen stellen, konnten schon die bisherigen Modelle bewältigen. Verbesserungswürdig ist vor allem die Benutzerschnittstelle, mit der man das Leistungsvermögen einer Kamera auch wirklich abrufen kann.

Das ist kein exklusives Canon-Problem. Olympus beispielsweise gibt seinen Kameras äußerst pfiffige Features mit, aber wer deren Live-Composite-Modus oder die auf auf 64 Megapixel (und mit der Pen-F jetzt auf 80 Megapixel) vergrößerte Auflösung nutzen will, muss mit einer Benutzerschnittstelle kämpfen, die sich kaum ohne eine eingehende Erklärung erschließt und deren Steuerung der Menüführung übergestülpt wurde, statt sie darin zu integrieren. Auch wenn eine neue Kamera keinen neuen Sensor und keinen neuen Prozessor hätte, könnte sie ihrem Käufer mehr bieten, wenn sie ihre Fähigkeiten besser zugänglich machen würde. Aber natürlich wäre dazu keine neue Kamera nötig; schon eine neue Firmware könnte den Unterschied machen.

In der guten alten Zeit der analogen Fotografie war die Bildqualität gar kein Thema, wenn es um neue Kameras ging – die Bildqualität hing von den Objektiven einerseits und dem Filmmaterial andererseits ab; bei der Beurteilung eines neuen Kameramodells ging es allein darum, wie dieses deren Potential in der Praxis nutzbar machen konnte. Vielleicht sollten wir auch heute ähnliche Bewertungskriterien anwenden.

Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Hallo !
    Gute Aufnahmen macht der Fotograf und nicht die Kamera.

    Wenn man unter guten Aufnahmen scharfe und richtig belichtete Bilder versteht, so braucht man optisch hervorragend gerechnete Objektive und eine Kamera bei der das Zusammenspiel zwischen Blende, Belichtungszeit und Sensor- (Film) empfindlichkeit gut harmoniert. Alles andere ich ist eigentlich schon zuviel.

  2. Hachja… ich weiß, meine D3s und 810er sind natürlich nicht das Nonplusultra in Sachen Megapixel und haben irgendwie keine Millionen-ISO im Angbot. Ich schleppe mich eben so lala mit diesen läppischen 102.000 ISO durch die Landschaft, auch wenn ich die nie gebraucht habe: das muss drin sein!! Gemeinheit…
    Natürlich frage ich mich, ob 12, bzw. 36mpx überhaupt noch tolerierbare Größen sind – 100mpx verlange ich von meinem Hersteller, achwas: 1000! Und dass meine Highend-Optiken das dann auch umsetzen können ohne Wenn und Aber…!

    Spaß beiseite – ich sehe mir oft die Equipments sogen. „Profis“ an und manchmal frage ich mich, warum die nicht solche Artikel lesen, in denen es um Maximalauflösung, Mio-ISO und Rauschabstände usw. geht, sehe z.T. leider auch sehr mäßigen Output sogar von denen, die auf den Zug der Zeit aufgesprungen sind und die ultimative MioPixISO-Wahnsinnskamera gekauft haben, wie es sich für einen echten Profi gebührt. Nach 45 Jahren als Bildbearbeiter habe ich auch reichlich Mieses gesehen sogar von einigen, die glauben, sie gehörten zur Creme der Fotokünstler.

    Aber das passt alles in die höher-schöner-weiter Mentalität der schönen neuen Technikwelt. Was heute in den Himmel gejubelt wird, ist morgen schon Schnee von gestern, angeblich kaum mehr zu gebrauchen (falls man auf sich hält). Was ich in dem o.g. Artikel voll unterstütze, ist die Forderung nach wirklich sinnvollen, pfiffigen Features, kleinen Gimmicks, die einem das fotografische Leben ein bisschen einfacher machen. Da hapert es manchmal so sehr, dass man sich frägt, ob die Macher auch ab und an mal die user fragen, was denn von einem Gerät erwartet wird. Aber wie es scheint, sind alleine Labortests das ultimative Mittel, zu beurteilen, ob es eine Megawahnsinnsmaschine ist oder nur Durchschnitt.
    Die iphone/tablet-Generation macht es eigentlich richtig: sie knipsen mit ihren Kästchen ilike-Bildchen und freuen sich drüber, während wir Highenduser uns permanent schwarz ärgern, weil das Konto momentan einfach keine dringendst (!) benötigte Aufrüstung zulässt. Eine Upgradehölle, fürwahr…
    Ich gehe jetzt raus, Bilder machen. Mit wenig mpx und höchstens 200ISO. Wird nix, aber vielleicht hab ich mal einen Zufallserfolg.

    1. Yepp so isses: 8MPI und immer dabei, mein geliebtes iPhone 6+ mit Wahnsinns Display, Bildstabi auch im Fotomodus und eine Panorama App für horizontal und vertikal, die mich die f4mm vergessen lässt. Sehen, prüfen und einfach aufnehmen und freuen, dass wieder eine slowfotografische Situation für die Erinnerung gerettet ist. DANKE für die ehrliche Aussage nach 45 Arbeitsjahren – ppz

  3. Wenn es nur so einfach wäre, ein Kamerainterface für alle Benutzer zugänglicher zu integrieren, hätte es wahrscheinlich schon längst jemand getan. Die Problematik fängt aber schon mit dem Kenntnisstand des Nutzers an: Hat jemand Erfahrung mit ISO, Blende und Zeiteinstellungen oder ist er ein absoluter Newbie und eventuell schon frustriert wenn das erste Bild nichts wird.
    Dazu bieten die heutigen Kameras alle so derart viele Funktionen, dass es schon garnicht mehr möglich ist, diese in einem einzigen Bildschirm und evtl 2 Seitenmenüs anzuzeigen (und dazu noch allen gewählten Einstellungen übersichtlich anzuzeigen). Schon bei Handykameras ist es heute der Fall, dass man tief in Einstellungsmenüs graben muss, um gängige Funktionen wie ISO zu finden.

    Mittlerweile sind wir in der Technologie fast an einem Punkt angelangt, an dem weitere Entwicklungen mehr oder weniger sinnlos sind. Dies ist schon der Fall bei den Auflösungen von Displays. Viele Handydisplays lösen mittlerweile höher auf, als das Auge überhaupt erkennen kann, trotzdem wird munter weiterentwickelt. Auch in der Fotografie wird bald ein Punkt erreicht werden, an der eine Kamera mehr Dynamik erkennt als das menschliche Auge, besser im Dunkeln sieht und weitaus mehr Auflösung bietet.

    Ob es allerdings noch Sinn macht, ständig noch etwas weiterzuentwickeln, was am Ende auf ein 1024×1024 Facebookbildchen gebannt wird, ist dort ebenfalls die Frage. Statt diesen Trends nachzulaufen, ist man oft besser damit beraten, sich das allerwichtigste Technik-Equipment zuzulegen, das man haben kann: Originelle Kreativität.

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