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Du oder Sie?

Die von DOCMA-Autor Olaf Giermann in DOCMA 61 aufgeworfene Frage, ob das „Sie“ noch zeitgemäß ist, hat nicht nur zu vielen Leserzuschriften geführt, sondern wird auch intern lebhaft diskutiert.

In der kommenden DOCMA 62 veröffentlichen wir auf unserer Leserbrief-Seite einige repräsentative Stellungnahmen von DOCMA-Lesern zu der Frage, ob die Redaktion die Leserschaft in ihren Tutorial-Texten mit Sie oder Du anreden sollte. Anlässlich der Korrektur der Seiten – bei DOCMA geht jeder Text durch acht Korrekturinstanzen – entstanden die beiden folgenden Anmerkungen:
»Die in der Du/Sie-Diskussion vertretene Meinung, in den englischsprachigen Ländern würden sich doch auch alle mit „Du“ („you“) ansprechen, ist leider eine völlige Misskonzeption. Tatsächlich wird (rein sprachlich betrachtet) im Englischen eigentlich nur gesiezt (faktisch sogar geIHRt), das Du (thou) ist irgendwann zwischen Shakespeare und heute schlichtweg unter den Tisch gefallen. Entsprechend ist also eigentlich jedes Du in einer Übersetzung aus dem Englischen ein herein interpretierter „Fehler“…
Schwingt man sich allerdings auf die Bedeutungsebene, so kann man feststellen, dass die tatsächliche moderne Bedeutung des „you“ stark von dem abhängt, was darauf folgt bzw. den Kontext ausmacht. Jugendliche werden sich duzen, während das unter Erwachsenen häufig gebrauchte you + Nachname ein „Sie“ ist (weshalb ich auch jede Sherlock Holmes Übersetzung, in der es „du, Watson“ heißt, strikt ablehne). Reden sich Erwachsene gegenseitig mit dem Vornamen an, stehen sie auf einer engen persönlichen Ebene, so dass das „you“ wieder zum „Du“ wird. Der Zwischenschritt, den viele noch aus der Schule kennen, Sie + Vorname, existiert im Englischen nicht. Blöderweise wird das eigentlich so sehr persönliche you + Vorname heute so inflationär genutzt, dass man meinen könnte, im Englischen wird immer und nur geduzt.« (Walter Milani-Müller)
»In synchronisierten Spielfilmen galt doch früher immer die Regel, dass Mann und Frau sich zu duzen beginnen, nachdem sie miteinanander geschlafen haben. Da die alten Spielfilme aber gar keinen Sex zeigten, blieb das der Phantasie der Synchronregisseure überlassen. Es gibt da zum Beispiel in „Die Spur des Falken“ einen Punkt, ab dem sich Sam Spade und Brigid O’Shaughnessy duzen, und der aufmerksame Zuschauer wusste, was das bedeutete, auch wenn es nicht gezeigt worden war.« (Michael J. Hußmann)

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Johannes Wilwerding

Johannes Wilwerding hat bereits Mitte der Achziger Jahre und damit vor dem Siegeszug von Photoshop & Co. Erfahrungen in der Digitalisierung von Fotos und in der elektronischen Bildverarbeitung gesammelt. Seit 2001 ist er freiberuflicher Mediengestalter und seit 2005 tätig für das DOCMA-Magazin.

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