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Die Torte wird neu aufgeteilt

Man hatte es schon befürchtet: Samsung wird sich aller Voraussicht nach aus dem Kameramarkt zurückziehen. Damit wäre auch das spiegellose NX-System am Ende, das sich mit der zur photokina 2014 vorgestellten NX1 endlich den lange vermissten Respekt erworben hatte. Im Sensormarkt wird Samsung aktiv bleiben, aber Sony baut gerade seine erdrückende Marktführerschaft mit der Übernahme des Sensorgeschäfts von Toshiba aus.

Leider wohl die letzte ihrer Art: die Samsung NX500, eingeführt im März dieses Jahres. (Foto: Samsung)
Leider wohl die letzte ihrer Art: die Samsung NX500, eingeführt im März dieses Jahres. (Foto: Samsung)

Samsungs Website samsungcamera.com konnte man schon länger als ein Menetekel deuten, denn seit Ende Juni 2015 war sie nicht mehr aktualisiert worden. Hatte es im vergangenen Jahr noch 12 neue Produkte im Bereich von Kameras und Objektiven gegeben, erschien 2015 nur noch die NX500 – und das war es offenbar, denn glaubt man einem Bericht der koreanischen Zeitung Asiae, stellt Samsung die Kameraproduktion ein und versetzt die in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter in die Abteilungen für Smartphones oder Medizintechnik. Von den sechs Kameraherstellern, die voll auf die spiegellose Bauweise setzen – in der DOCMA 66 und 67 hatte ich diese Systeme vorgestellt – bleiben nur noch Fuji, Leica, Olympus, Panasonic und Sony übrig.

Aufhören, wenn es am schönsten ist: Mit der NX1 hatte Samsung endlich überzeugt. (Foto: Samsung)
Aufhören, wenn es am schönsten ist: Mit der NX1 hatte Samsung endlich überzeugt. (Foto: Samsung)

Der koreanische Samsung-Konzern war einer der Pioniere in diesem Segment; ein Jahr nach Panasonics G1 kündigten sie als zweiter Hersteller mit der NX10 eine spiegellose Kamera an. Samsung hatte lange um die Anerkennung von Fotografen kämpfen müssen; der Elektronikgigant wurde vor allem als Hersteller von Fernsehern, Smartphones und Haushaltsgeräten wahrgenommen. Sein Engagement im Kamerabereich nahmen viele nicht ernst. Dabei hatte sich Samsung mit Schneider-Kreuznach einen Objektivhersteller als Partner gesichert, der einen guten Ruf genießt. Manchmal stand sich Samsung allerdings auch selbst im Weg, denn die einzelnen Abteilungen arbeiteten nicht so zum gegenseitigen Nutzen zusammen, wie man das beispielsweise beim ähnlich breit aufgestellten Panasonic-Konzern beobachten kann. „Synergie-Effekt“ gilt heute meist als inhaltsleeres Schlagwort, aber ein Vergleich zwischen Samsung und Panasonic zeigte, was für einen Unterschied die Synergie zwischen den Teilen eines Konzerns machen kann.

Ende 2014 sah die Situation des NX-Systems dennoch sehr gut aus, denn mit der NX1 hatte Samsung ein neues Spitzenmodell vorgestellt, das technisch mit den Mitbewerbern gleichzog oder sie überflügelte. Mit dieser Kamera schien sich Samsung endgültig in diesem Markt etabliert zu haben, aber das Management sah es offenbar anders und bereitete wohl schon seit dem Frühjahr den Ausstieg vor.

Eine der Besonderheiten der NX1 war ihr CMOS-Sensor in BSI-Technik – die Belichtung des Sensors von der „Rückseite“ des Chips war zuvor nur bei sehr viel kleineren Formaten üblich und wurde hier erstmals im APS-C-Format eingesetzt. Samsung ist einer der wichtigsten Sensorhersteller auf dem Weltmarkt, wobei der Schwerpunkt wie bei vielen anderen Herstellern auch bei Sensoren für Smartphones liegt. Die Nachfrage nach Bildsensoren steigt; man braucht sie in der Medizintechnik, im Automobilbau, für Überwachungskameras und in der Industrie; der Kameramarkt ist dagegen vergleichsweise unbedeutend. Als Sensorhersteller dürfte Samsung daher weiter aktiv bleiben.

Unangefochtener Spitzenreiter auf dem Sensormarkt ist allerdings Sony, die ihre Halbleitersparte – zu deren wichtigsten Produkten die Sensoren zählen – jetzt zum 1. April 2016 ausgliedern und mit großen Investitionen weiter voran bringen wollen. Dazu gehört auch die Übernahme von Toshibas Sensorgeschäft, die sich Sony 163 Millionen USD kosten lässt. 1100 Toshiba-Angestellte werden zu Sony wechseln. Toshiba, das bereits Fujis Fabrik für kleinere Sensoren übernommen hatte (APS-C-Sensoren bezieht Fuji von Sony), ist ein eher kleiner Fisch; der Marktanteil lag im vergangenen Jahr bei 1,9 Prozent, die nun zu Sonys 40,3 Prozent addiert werden können. Da Sony rund drei Mal so viel Sensoren wie Samsung absetzt, ist die Marktführerschaft ohnehin nicht bedroht.

Erst vor wenigen Wochen hatte Sony die kleine belgische Firma Softkinetic Systems erworben – Softkinetic ist ein Spezialist für „Time of Flight“ Sensoren, mit denen man Entfernungen anhand der Dauer messen kann, die von einem Objekt reflektiertes Laserlicht braucht, bis es zum Sensor zurückkehrt. Diese Sensoren erzeugen eine Art 3D-Ansicht der Umgebung; sie spielen beispielsweise im Automobilbau eine große Rolle, vor allem in Hinblick auf künftige selbststeuernde Fahrzeuge.

Angesichts der Summen, die Sony derzeit in die Hand nimmt, um sein künftig eigenständiges Sensorgeschäft gut aufzustellen, wird es den Mitbewerbern zunehmend schwer fallen, hier mitzuhalten. Neben Samsung spielen hier noch OmniVision und On Semiconductor eine Rolle; On Semi hat mittlerweile Aptina, Kodaks ehemalige Sensorsparte Truesense Imaging und Cmosis geschluckt. Canon lag im vergangenen Jahr bei 7 Prozent, hat aber an Bedeutung verloren und wenig Chancen, seine Position zu verbessern, so lange sie Sensoren nur für den eigenen Bedarf entwickeln. Derzeit sieht es also nach einer Weltherrschaft von Sony Semiconductor im Sensormarkt aus. Wer dem entgegen treten will, wird dazu viel Geld, aber auch Innovationen brauchen.

PS: Im Mai dieses Jahres hatte ich hier im Blog bedauert, dass die meiner Einschätzung nach aussichtsreiche Quantenfilm-Sensortechnologie nicht von der Stelle zu kommen scheint. Kürzlich veröffentlichte InVisage, das Unternehmen, das schon seit fast zehn Jahren am Quantenfilm-Sensor arbeitet, einen kurzen Film, der mit einem solchen Sensor aufgenommen wurde und dessen Vorteile, darunter ein höherer Dynamikumfang und ein globaler elektronischer Verschluss ohne Verzerrungen bewegter Motive, unter Beweis stellen soll (hier das Making-of). Vielleicht wird ja doch noch etwas daraus.

Michael J. Hußmann
Michael J. Hußmann
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Michael J. Hußmann

Michael J. Hußmann gilt als führender Experte für die Technik von Kameras und Objektiven im deutschsprachigen Raum. Er hat Informatik und Linguistik studiert und für einige Jahre als Wissenschaftler im Bereich der Künstlichen Intelligenz gearbeitet.

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5 Kommentare

  1. Ich musste spontan grinsen nach den ersten gelesenen Zeilen.
    Canon und Nikon sind eben auch weiterhin die unangefochtenen Leader in der Kamera-Sparte. Logisch, das sind reinrassige Fotokamera-Hersteller, keine Elektronik-Hütten, die mal dies und mal jenes produzieren.

    Spannend tut sich mir stets eine Frage auf: Will Sony tatsächlich Canon und Nikon Konkurrenz machen, eines Tages, oder bleibt Sony der Elektronik-Hersteller, der einfach mal nur ein paar Jahre lang Branchenführern einige Kunden abjagt, bis dieses Spiel keinen ausreichenden Profit mehr abwirft?

    MfG – Frank

  2. Da kennst du die Produktpalette von deinen „Unangefochtenen Leadern“ aber nicht so gut 😉

    Und wenn ich mich recht entsinne hat Sony schon seit 2010 mehr Marktanteile im Kamera Geschäft als Nikon. Da kann man wohl kaum mehr von „Unangefochtenen Leader“ sprechen.

    Der Stein rollt schon Laaaaange….

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