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Der Untergang des Abendlandes

56 Europa
Der Untergang des Abendlandes | Foto: NASA | Montage: Doc Baumann (Ja, ich weiß, dass die Wellen für ein realistisches Satellitenbild zu groß sind.)

In den letzten Tagen gab es zwei weltbewegende Ereignisse: Die DOCMA-Ausgabe 69 wurde ausgeliefert, und das juristische Gutachten des UN-Rats für Menschenrechte zur Festsetzung von Julian Assange in der ecuadorianischen Borschaft in London wurde – für ihn positiv – veröffentlicht. Die eine Nachricht ist so erfreulich wie die andere – und doch liegt über beiden ein Schatten, der den Untergang des Abendlandes ankündigt.

Beginnen wir mit dem DOCMA-Schatten, den ich selbst zu verantworten habe. In meiner „Sprechstunde“ bin ich im aktuellen Heft unter anderem auf die Frage eingegangen, wie sich mit Hilfe von Photoshop ein brennender Dornbusch in der Wüste darstellen lässt. Dazu hatte ich geschrieben:

„Bibelfeste Leserinnen und Leser wissen, dass das ein religiös aufgeladenes Motiv ist und sich von daher stark zum Beispiel von einem brennenden Papierkorb unterscheidet. … Zunächst braucht man dafür natürlich ein Wüstenfoto. Sinai wäre gut, aber da die Schriftgelehrten ohnehin nicht wissen, wo der biblische Berg Sinai mit seinem Dornbusch wirklich lag – jedenfalls nicht auf der gleichnamigen Halbinsel –, ist das nicht so wichtig. Die Judäische Wüste tut’s also auch und erweckt ebenfalls genügend alttestamentliche Assoziationen.“

Na? Wenn Ihnen nichts Bedenkliches an diesen Sätzen aufgefallen ist, so ist das zum einen gut für mich, weil ich mich dann wenigstens bei Ihnen nicht so blamiert habe – zum anderen aber ein weiterer Beleg dafür, dass der Untergang des jüdisch-christlich geprägten Abendlandes unmittelbar bevorsteht. Wenn ich das schon schreibe als Ungläubiger! Pegida hat’s ja schon immer gewusst, aber nun kommt die Fäulnis gar nicht von außen in Gestalt von muslimischen Flüchtlingshorden, sondern von innen.

Ich hab’s beim Schreiben nicht gemerkt. Meine korrekturlesenden Kolleg/innen haben’s nicht gemerkt. Und Sie jetzt auch noch? Es ist zum Verzweifeln!

Um was es überhaupt geht? Na, ich bitte Sie! Seine Begegnung mit dem brennenden Dornbusch hatte Moses doch nicht auf dem Berg Sinai (da wurden ihm die Gesetzestafeln in die Hand gedrückt), sondern auf dem Berg Horeb. Meine einzige Entschuldigung für diesen Satz ist der allerneueste Forschungsstand, der es für wahrscheinlich hält, dass die beiden Berge, getrennt durch Moses’ Aufenthalt in Ägypten und den Exodus, letztlich identisch sind, der Anführer das Volk Israel also nur zurückgeführt hat an die Stelle seiner ersten Begegnung mit dem midianitischen Stammesgott, vermutlich zu einem aktiven Vulkan auf der arabischen Halbinsel.

56 Dornbusch
Der brennende Dornbusch in der Wüste | Foto: Marina Schnurr | Montage: Doc Baumann (Das war gar nicht am Berg Sinai, sondern am Berg Horeb? Kommt unterm Strich wahrscheinlich aufs Gleiche raus.)

Nachdem wir nun das eine weltbewegende Ereignis der Woche abgehakt haben, kommen wir zum zweiten. Es gibt ein juristisches Gutachten mit dem Ergebnis, dass die Festsetzung von Wikileaks-Aktivist Julian Assange in der Londoner Botschaft von Ecuador unrechtmäßig ist. Sowohl die drohende Verhaftung durch Großbritannien wie die Auslieferung an Schweden wegen angeblicher Vergewaltigungen wären danach unzulässig. Das Gutachten stammt nicht von irgendeinem Winkeladvokaten, sondern von einer Expertengruppe des UN-Menschenrechtsrates. Noch vor Veröffentlichung des Gutachtens hatte Assange angekündigt, das Ergebnis zu respektieren und sich gegebenenfalls festnehmen zu lassen.

Nun ist das Votum der Juristen eindeutig: Die Festsetzung verstößt gegen internationale Konventionen und gilt als Freiheitsberaubung. Klarer kann ein Gutachten kaum sein.

Aber solche UN-Gutachten oder Beschlüsse der UN-Vollversammlung ähneln auf fatale Weise den Heiligen Schriften Thora, Bibel und Koran, in denen sich zu jeder Position ein bestätigender Satz finden lässt, zu Mord und Totschlag ebenso wie zu friedfertigem Umgang. Die entsprechenden Aussagen oder Beschlüsse werden von den Ländern oder Parteien ignoriert oder als ungültig zurückgewiesen, denen sie gerade politisch nicht in den Kram passen. Liegen sie dagegen auf der eigenen Linie und stärken die eigene Position, so sind sie selbstverständlich richtig und gültig und müssen sofort umgesetzt werden.

Die stets auf ihre Rechtsstaatlichkeit pochenden Länder Großbritannien und Schweden haben jedenfalls unmittelbar nach Bekanntwerden des Gutachtens angekündigt, dass sie es als irrelevant einschätzen: Großbritannien hält es für „lächerlich“, Schweden meint, die UN-Experten hätten nicht das Recht, sich in eine laufende Justizangelegenheit einzumischen. Immer, wie es gebraucht wird. Ein schlimmes Beispiel für das Ignorieren von UN-Resolutionen ist auch Israel, das gegen so viele von ihnen verstoßen hat, dass man mit dem Zählen kaum noch nachkommt. Wie will man UN-Beschlüsse gegen Terror-Regime durchsetzen oder auch nur für moralisch bindend erklären, wenn Länder mit dem Selbstverständnis als Rechtsstaaten sie je nach Bedarf anwenden oder ignorieren?

Das jüdisch-christliche Abendland ist also in ernsthafter Gefahr, wegen mangelnder Kenntnis seiner Grundlagen und Aushöhlung seiner eigenen Standards unterzugehen. Ungarn und Polen schachten das Grab von Osten her aus, drohende US-Präsidenten wie Trump oder Cruz würden mächtig vom Atlantik her buddeln, der Rest verfault vom Zentrum her. Die Flüchtlinge, welche die hochgebildeten Pegida-Bewahrer des Abendlandes als die große Gefahr sehen, spielen da kaum noch eine nennenswerte Rolle.

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Doc Baumann

Doc Baumann befasst sich vor allem mit Montagen (und ihrer Kritik) sowie mit der Entlarvung von Bildfälschungen, außerdem mit digitalen grafischen und malerischen Arbeitstechniken. Der in den Medien immer wieder als „Photoshop-Papst“ Titulierte widmet sich seit 1984 der digitalen Bildbearbeitung und schreibt seit 1988 darüber.

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2 Kommentare

  1. Sie haben vollkommen recht. Das Schlimmste ist aber, das diese „Vorschau“ von der Redaktion eines Bildbearbeitungsmagazin kommt und nicht von einem politischem. Nicht das Schlimmste, das Peinlichste. Nicht für die Docma, sondern für die andern.

    Schöne Grüße
    Peter Schütte

  2. Mir ist nicht klar, warum die DOCMA Artikel von einigen Autoren ständig als politische Resterampe missbraucht werden. Befremdlich ist schon wie man sich ständig brüstet, einmal einer totaliären und menschenverachtenden Ideologie zugejubelt zu haben. Aber die ständigen rechthaberischen Auslassungen zur aktuellen Politik nerven einfach nur noch.

    Ich lehne die inszenierte Verfolgung von Assange auch ab. Davon abgesehen, dass das Thema aber absolut nichts mit Bildbearbeitung zu tun hat, wird hier so getan, als wäre die „Expertengruppe“ des UN Menschenrechtsrates so etwas wie eine oberste moraljuristische Instanz. Das ist lächerlich. Man schaue sich allein die Zusammensetzung an. Da hat dann auch schon mal Saudi Arabien den Vorsitz einer solchen „Expertengruppe“.

    Natürlich kann kein Linker oder Rechter die Chance zu einem Seitenhieb gegen Israel ungenutzt lassen. Dazu wird vom Autor dann gleich der Bogen vom UN Menschenrechtsrat zu den UN Resolutionen geschlagen.

    Wie diese „Resolutionen“ zu Stande kommen und wer da und warum die Mehrheiten bildet, wird verschwiegen. Dabei beweisen Chaos, religiöse Gewalt, Kriege und Diktaturen in der arabischen Welt täglich, dass Israel schon gar nicht mehr existieren würde, wenn es sich an diese „Resolutionen“ halten würde.

    Shalom

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